Wiederaufnahme: Tatsächlich Rechtsfriede mit Eintritt der Verjährung?

Tax News 2/2025

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Bergsteiger am Gipfel

§ 304 BAO wurde mit dem Jahressteuergesetz 2018 neu gefasst. Eine Wiederaufnahme ist seitdem auch noch innerhalb von drei Jahren nach der letzten behördlichen/gerichtlichen Erledigung möglich. Dies hat zur Folge, dass auch nach Ablauf der Verjährungsfrist eine Abgabenfestsetzung erfolgen kann; oftmals zur Überraschung des Abgabepflichtigen.

1. Wiederaufnahme: Verfassungswidrige Anknüpfung an die Verjährung

Nach der Rechtslage vor dem JStG 2018 war eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließlich bis zum Eintritt der Verjährung gestattet. Der VfGH hob diese Bestimmung im Jahr 2017 wegen Unsachlichkeit auf (VfGH 30.11.2017, ).

2. § 304 BAO: Drei-Jahres-Frist ab letzter Erledigung

Nach § 304 BAO in der Fassung des JStG 2018 ist die Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann gestattet, wenn sie �innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheids beantragt oder […] amtswegig durchgeführt wird� (§ 304 lit. b BAO).

Somit kann der Abgabepflichtige nunmehr auch nach Eintritt der Verjährung einen Wiederaufnahmeantrag stellen und zwar innerhalb eines Zeitraumes von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides. Dasselbe gilt � im Sinne der Waffengleichheit zwischen Abgabepflichtigem und Behörde � auch für eine amtswegige Wiederaufnahme!

Der Begriff des „Bescheides� in § 304 BAO ist dabei weit auszulegen: Gemeint ist die das jeweilige Verfahren abschließende Erledigung. Dabei kann es sich um Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamtes, Entscheidungen des Bundesfinanzgerichtes oder auch des VwGH handeln (siehe z. B. Tanzer/Unger, BAO 2025, 331).

3. Verjährung: Ausnahmebestimmung

Diese Regelung wäre in vielen Fällen sinnentleert, wenn die abgabenrechtliche Verjährung der Erlassung eines neuen Abgabenbescheides entgegenstehen würde. Was hilft die Wiederaufnahme, wenn die Abgabe nicht mehr festgesetzt werden kann?

Vor diesem Hintergrund wurde auch eine Ausnahme im Verjährungsregime verankert: Kommt es zu einer Wiederaufnahme unter Anwendung von § 304 lit. b BAO, steht der Abgabenfestsetzung die bereits eingetretene Verjährung NICHT entgegen (§ 209a Abs. 2 BAO). Dies gilt auch in Hinblick auf die absolute Verjährung von zehn Jahren.

4. Ergebnis: Verjährung bewirkt nur eingeschränkten Rechtsfrieden

Der VfGH hat die ausschließliche Anknüpfung der Wiederaufnahme an die Verjährungsfristen wegen Unsachlichkeit aufgehoben. Die vom Gesetzgeber neu implementierte Drei-Jahres-Frist steht sowohl dem Abgabepflichtigen als auch der Finanzverwaltung zu. Da in der Praxis die überwiegende Zahl der Wiederaufnahmen von Amts wegen (und zu Lasten des Abgabepflichtigen) erfolgt, profitiert von der Neugestaltung in erster Linie die Finanzverwaltung. Der Abgabenpflichtige kann regelmäßig erst drei Jahre nach der letzten behördlichen/gerichtlichen Erledigung davon ausgehen, dass es zu keiner Änderung der Abgabenfestsetzung mehr kommt.