VwGH zur Pflichtveranlagung bei Pensions- und Sachbezug

Tax News 2/2025

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Ein Steuerpflichtiger ist verpflichtend zur Lohnsteuer zu veranlagen, wenn er im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die einem gesonderten Lohnsteuerabzug unterliegen, bezieht. Die gesonderte Versteuerung von Pension und Sachbezug löst den Tatbestand der Pflichtveranlagung aus. Die direkte Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen durch das Finanzamt beurteilt der Verwaltungsgerichtshof als unbedenklich.

1. Sachverhalt: Nachträgliche Qualifizierung von Naturalwohnung als Sachbezug

Der Beschwerdeführer (Bf) war ein pensionierter Beamter des Verteidigungsministeriums. Er erhielt in den Jahren 2014 und 2015 eine Pension und eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Im Zuge einer Lohnsteuerprüfung wurden Feststellungen zu den Sachbezügen i. Z. m. Wohnraum (Naturalwohnungen) getroffen. Nach der Prüfung stellte das Ministerium für den Bf einen eigenen Lohnzettel für den Sachbezug aus. Die beiden Einkünfte (Pension und Sachbezug) wurden von zwei verschiedenen öffentlichen Stellen ausgezahlt (einerseits pensionsauszahlende Stelle, andererseits Ministerium).

Nach § 41 Abs. 1 Z. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind. Nach Ansicht der Finanzverwaltung waren die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung erfüllt. Der Steuerpflichtige bezog gleichzeitig zwei getrennte Einkünfte (Pension und Sachbezug), die gesondert versteuert wurden. Er wurde unmittelbar für die nicht abgeführte Lohnsteuer aus dem Sachbezug in Anspruch genommen.

2. BFG: keine Pflichtveranlagung

Nach § 83 Abs. 1 EStG ist der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner. Unmittelbar in Anspruch genommen werden kann der Steuerpflichtige, wenn die Voraussetzungen der Pflichtveranlagung nach § 41 Abs. 1 EStG erfüllt sind.

Das BFG (5.5.2022, ) hob die angefochtenen Bescheide auf und argumentierte wie folgt: Die Einkünfte stammen aus demselben Dienstverhältnis und daher ist der Pflichtveranlagungstatbestand nicht erfüllt. Das Dienstverhältnis eines Beamten zum Bund besteht auf Lebenszeit und wird im Ruhestand nicht beendet, sondern lediglich umgestaltet. Auch wenn die Lohnzettel von zwei verschiedenen Stellen gemeldet werden, stammen die Bezüge aus demselben Dienstverhältnis, wodurch die Voraussetzungen für eine Pflichtveranlagung nicht gegeben sind.

3. VwGH: getrennte Versteuerung der Einkünfte � Pflichtveranlagungstatbestand erfüllt

Der VwGH (20.3.2024, ) hob die BFG-Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf. Er stellte fest, dass die Einkünfte von zwei verschiedenen öffentlichen Stellen stammen und beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden. Die getrennte Versteuerung der Pension und des Sachbezugs löst eine Pflichtveranlagung nach § 41 Abs. 1 Z. 2 EStG aus, da es sich um zwei getrennte Einkünfte handelt. Der VwGH sah keine Bedenken in der direkten Inanspruchnahme des Arbeitnehmers.

Der Gerichtshof verwies in seiner Begründung auch auf § 6 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die gemeinsame Versteuerung mehrerer Pensionen, der wie folgt lautet: �Wird eine gemeinsame Versteuerung nicht durchgeführt, sind die Bezüge gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1988 zu veranlagen.� Dieser Frage war im BFG-Verfahren viel Raum gegeben worden. Der VwGH setzte sich im vorliegenden Fall aber mit guten Gründen nicht mit der Entscheidung auseinander, ob eine gemeinsame Versteuerung der Pension mit dem Sachbezug hätte erfolgen müssen. Laut VwGH stellt nämlich § 41 Abs. 1 Z. 2 EStG nur auf die „faktischen Mittelflüsse� ab.

4. Erläuterung Lohnsteuersystem

Im Lohnsteuersystem ist grundsätzlich der Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Lohnsteuer vom Arbeitslohn laufend korrekt zu berechnen und an das Finanzamt abzuführen. Zusätzlich haftet der Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer. Ihn treffen daher als „ersten Ansprechpartner� des Finanzamts primär die wesentlichen Pflichten im Zusammenhang mit der Lohnsteuer. Das ist deswegen hervorzuheben, weil der Arbeitnehmer als Empfänger des Arbeitslohns Steuerschuldner ist. Das Lohnsteuersystem bildet daher durch sein besonderes Verfahren einen markanten Unterschied zu selbständig Erwerbstätigen: Letztere müssen sich um ihre steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten selbst kümmern und insbesondere ihre Einkommensteuer selbst abführen.

Von diesem Grundsystem in der Lohnsteuer gibt es aber Ausnahmen. Eine wichtige Ausnahme normiert der vom VwGH herangezogene § 83 Abs. 2 Z. 1 EStG. Danach wird der Arbeitnehmer als Steuerschuldner �unmittelbar in Anspruch genommen�, wenn die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 EStG � also einer Pflichtveranlagung � vorliegen. Zwar steht es im Ermessen des Finanzamts, auch in Veranlagungsfällen den Arbeitgeber in Anspruch zu nehmen; doch kann sich das Finanzamt hier eben auch direkt an den Arbeitnehmer wenden.

Das bedeutet zusammengefasst: Erster Ansprechpartner ist im � nachträglichen � Veranlagungsverfahren der Arbeitnehmer (= Ausnahme vom Grundsystem), während im � laufenden unterjährigen � Lohnsteuerabzugsverfahren der Arbeitgeber der unmittelbar Verpflichtete gegenüber dem Finanzamt und damit erster Ansprechpartner ist (= Grundsystem).

5. Fazit

Im konkreten Fall hat der VwGH die Voraussetzungen für eine direkte Inanspruchnahme des Arbeitnehmers mit überzeugenden Argumenten bejaht. Denn, wie der VwGH ausführt, stellt die Pflichtveranlagung in § 41 Abs. 1 EStG �auf das Faktum ab, dass eine gesonderte Versteuerung erfolgte, nicht darauf, ob eine gemeinsame Versteuerung zu Recht unterblieben ist.�

Im Ergebnis ist eine direkte Inanspruchnahme von Arbeitnehmern mit einer „Nachholwirkung� verbunden, wenn der Arbeitgeber in der Vergangenheit keine oder zu wenig Lohnsteuer einbehalten hat. Diese Nachholwirkung ist insbesondere bei höheren Nachzahlungen unangenehm und für (ehemalige) Arbeitnehmer oft überraschend und schwer verständlich. Um eine direkte Inanspruchnahme des Arbeitnehmers zu vermeiden, hätte im konkreten Fall eine gemeinsame Lohnversteuerung von Sachbezug und Pension erfolgen müssen.

Gerne stehen Ihnen die Lohnsteuerexperten von ÀÖÓ㣨Leyu£©ÌåÓý¹ÙÍø für individuelle Fragen mit ihrer Expertise zur Verfügung.