Direkter Rückerstattungsanspruch gegenüber der Abgabenbehörde für zu Unrecht gezahlte MwSt?
Tax News 2/2025
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Der EuGH hat sich im Urteil vom 13.3.2025, , Greentech SA, mit der Frage beschäftigt, ob und unter welche Voraussetzungen eine direkte Rückerstattung von zu Unrecht gezahlter Mehrwertsteuer bei den Abgabenbehörden möglich ist.
Sachverhalt
Das rumänische Unternehmen Greenfiber International SA hat über die Veräußerung von Gerätschaften an das rumänische Unternehmen Greentech SA eine Rechnung mit Ausweis rumänischer MwSt. ausgestellt und die MwSt. entrichtet. Greentech SA hat den Vorsteuerabzug vorgenommen. Im Rahmen einer Steuerprüfung bei Greentech SA hat die rumänische Abgabenbehörde festgestellt, dass es sich um eine „Übertragung eines Teilvermögens zwischen zwei verbundenen Unternehmen handelt�, die nicht MwSt. pflichtig ist. Die rumänische Abgabenbehörde versagte der Greentech SA daher den Vorsteuerabzug aufgrund der fälschlich auf der Rechnung ausgewiesenen MwSt. Widersprechend zu den von der Abgabenbehörde getroffenen Feststellungen bei der Greentech SA hat die rumänische Abgabenbehörde bereits zuvor bei der Greenfiber International SA eine Steuerprüfung durchgeführt und bestätigt, dass die Transaktionen korrekterweise umsatzsteuerpflichtig behandelt wurden.
Greentech SA erhob gegen den Steuerbescheid, mit dem der Vorsteuerabzug versagt wurde, Einspruch. Nachdem der Einspruch zurückgewiesen wurde, erhob Greentech SA Klage beim Berufungsgericht, das der Klage stattgab und den Steuerbescheid aufhob. Dagegen erhob die rumänische Steuerverwaltung ein Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht. Im weiteren Verfahrenslauf hat das vorlegende Gericht das Urteil teilweise aufgehoben und die Klage von Greentech SA abgewiesen. Greentech SA beantragte die Wiederaufnahme des Verfahrens mit der Begründung, dass die Rechtsprechung des vorlegenden Gerichts gegen die Rechtsprechung des EuGH verstoße.
Das vorlegende Gericht stellte fest, dass die ursprüngliche umsatzsteuerliche Behandlung des Umsatzes nach Ansicht der ersten Steuerprüfung korrekt war und die Parteien daher bis zum Erlass des gegenteiligen Urteiles nicht von einer notwendigen Korrektur der Rechnungen ausgehen konnten. Zum Zeitpunkt des Urteiles war jedoch aufgrund der gesetzlichen Verjährungsfrist in Rumänien keine Rechnungsberichtigung seitens der Greenfiber International SA mehr möglich. Unter Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung vom 26.4.2017, , Tibor Farkas und vom 11.4.2019, , PORR ÉpÃtési Kft., stellt das das vorlegende Gericht fest, dass die Erstattung der Mehrwertsteuer für die Klägerin zumindest dem Anschein nach objektiv unmöglich ist, da die Verjährungsfrist für die Rechnungsberichtigung der Greenfiber International SA bereits abgelaufen ist und die Steuerprüfung bei der Greenfiber International SA die Richtigkeit der umsatzsteuerlichen Behandlung bestätigt hatte.
Das vorlegende Gericht hat dem EuGH daher zusammengefasst die Frage vorgelegt, ob die Grundsätze der Neutralität, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes mit der streitgegenständlichen Versagung des Vorsteuerabzuges vereinbar sind.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH führt eingangs aus, dass nicht der Grundsatz der Rechtssicherheit und nicht der Grundsatz des Vertrauensschutzes in dieser Frage zu beachten ist. Vielmehr ist der Grundsatz der Effektivität zu beachten, da es Greentech SA nun tatsächlich unmöglich ist, die Mehrwertsteuer erstattet zu bekommen.
Nach Umqualifizierung der Vorlagefrage durch den EuGH stellt dieser mit Verweis auf das Urteil vom 13.10.2022, , HUMDA, fest, dass die Regelungen hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Rechnungsberichtigung Sache der Mitgliedstaaten sind. Dabei muss der Grundsatz der Neutralität der MwSt. sichergestellt werden. Aus der Rechtssache HUMDA ergibt sich nach dem EuGH auch, dass der Dienstleistungserbringer eine etwaige zu Unrecht entrichtete MwSt. zur Erstattung verlangen kann und der Dienstleistungsempfänger diese im Zivilrechtsweg vom Dienstleistungserbringer einklagen kann.
Wenn die Erstattung der Mehrwertsteuer jedoch unmöglich oder übermäßig schwierig geworden ist, muss der Dienstleistungsempfänger die zu Unrecht in Rechnung gestellte und gezahlte Steuer durch einen unmittelbaren Erstattungsanspruch bei den Abgabenbehörden geltend machen können.
Der EuGH stellt sodann klar, dass ein solcher „Erstattungsanspruch� von einem Antrag auf Vorsteuerabzug zu unterscheiden ist. Ein Vorsteuerabzug steht nur für „geschuldete� Umsatzsteuer zu. Da der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz endgültig als nicht mehrwertsteuerpflichtiger Umsatz eingestuft worden ist, war die von Greentech SA an den Aussteller der Rechnung, Greenfiber International SA, entrichtete Mehrwertsteuer aber gerade nicht „geschuldet� iSd Rechtsprechung des EuGH.
Auf die Vorlagefrage war daher zusammengefasst zu antworten, dass die Versagung des VSt.-Abzuges für eine nicht geschuldete Mehrwertsteuer nicht den Grundsätzen der Neutralität der Mehrwertsteuer und der Effektivität entgegensteht. Allerdings gebieten die Grundsätze, dass dieser Steuerpflichtige in einer solchen Situation seinen Erstattungsanspruch unmittelbar gegenüber der Steuerverwaltung geltend machen kann.
Take-Away für die Praxis
Der EuGH bekräftigt erneut, dass das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug aufgrund des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer nicht eingeschränkt werden kann. Der Grundsatz der Neutralität und der Effektivität gebieten es zudem, dass auch entrichtete, aber nicht geschuldete Mehrwertsteuerbeträge erstattet werden müssen. Sofern die Erstattung der Mehrwertsteuer für den Steuerpflichtigen unmöglich oder übermäßig schwierig geworden ist, muss der Steuerpflichtige den Erstattungsanspruch auch unmittelbar an die Abgabenbehörde richten können.